Die Kurze-Hosen-T-Shirt-Sache

Heute habe ich zum ersten Mal seit langem wieder die Standheizung gestartet. Es waren 6 Grad in der Früh, was jetzt noch nicht wirklich sibirisch, aber trotzdem schon einigermaßen frisch ist. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass man in kurzen Hosen und T-Shirt unterwegs war und einem trotzdem noch zu warm war.

Früher sah man bei uns das ganze Jahr über Menschen in kurzen Hosen und T-Shirt: das waren die amerikanischen Nachbarn und zwar durch die Bank alle. Im Sommer war man ja selbst so unterwegs, aber spätestens im Herbst fröstelte einem schon beim bloßen Anblick der nackten Waden und Arme. Wenn die Jungs dann aber in dem Aufzug im Winter den Weg zum Grill mit der Schaufel vom Schnee befreit haben, war das schon ein bisschen absurd. Wobei… das dachte ich über Grillen im Winter auch, bis ich es mal probiert und schließlich erkannt habe: grillen geht immer! Hm. Vielleicht sollte ich auch mal diese Kurze-Hosen-T-Shirt-Sache testen. Eventuell hatten die amerikanischen Nachbarn auch da recht und kurze Hosen plus T-Shirt geht das ganze Jahr über. Quasi der Allwetterreifen unter den textilen Kombinationen.

Das wäre grundsätzlich ja toll, weil einfach: man müsste sich nie wieder Gedanken machen, was man so anzieht und das deutscheste aller deutschen Kleidungsstück – die Übergangsjacke – wäre noch obsoleter geworden, als sie ohnehin schon ist. Wobei Übergangsjacken eh nur von Frauen gebraucht, gekauft und getragen werden, aber das ist ein anderes Thema. Außerdem ist die Kurze-Hosen-T-Shirt-Sache sowieso dem männlichen Geschlecht vorbehalten: die amerikanischen Nachbarinnen kleideten sich europäisch dem Wetter entsprechend – nur die Herren der Schöpfung fügten sich dem nicht. Wobei das nicht so ganz stimmt: war der Winter doch mal etwas kälter, packten sich auch die Männer ein – dann aber gleich richtig mit aus den Federn der wildesten kanadischen Wildgänse gefüllten Daunenjacken, Stiefeln, auf die selbst Polarforscher neidisch wären, zentimeterdicken Handschuhen und selbstaufheizenden Hosen aus dem NASA-Online-Shop. Mit zugezogener Kapuze Sachen sahen die Jungs aus wie Kenny aus South Park, wurden aber bedeutend weniger getötet. Ich wüsste zumindest in unserer Straße von keinem Fall.
Bei den amerikanischen Männern war der Wechsel von Ganzjahreskurzkleidung zu Antarktisausgehkluft also anscheinend temperaturabhängig, aber ich habe blöderweise nie auf ein Thermometer geschaut und kann somit nicht sagen, bei welcher Temperatur der Wechsel stattfand.
Auf die Idee eine Standheizung ins Auto einbauen zu lassen, brachte mich übrigens vor vielen Jahren einer der amerikanischen Nachbarn. Er schwärmte davon, wie toll das wäre, wenn er morgens aus dem Haus kommt und sich in ein vorgewärmtes Auto setzt. „Klar“, dachte ich damals, „reicht ja auch, wenn man auf dem Weg von der Haustür zum Wagen schon fast erfriert, weil man auch im tiefsten Winter mit kurzen Hosen und T-Shirt unterwegs ist“ und sagte: „Ja, das ist bestimmt schön, aber ich habe ja auch lange Hosen und Pullover und so. Da geht das schon.“ Ich sagte das natürlich auf englisch, sonst hätte er mich ja gar nicht verstanden. Ich sagte also sowas wie „That’s a nice thing but I have long ones – trousers and shirts – and so it goes“ und dachte mir meinen Teil. Er sicher auch. Nichtsdestotrotz habe ich mich letztes Jahr wieder an dieses Gespräch erinnert und mir gedacht, dass eine Standheizung auch bei einem Faible für dem Wetter angepasste Kleidung keine schlechte Sache sein kann. Also habe ich mir eine Standheizung einbauen lassen und siehe da: „That’s a nice thing – even though I have long ones“.

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